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Unsere Geschichte

Teil I

„Dass sich während des mehr als 25-jährigen Bestehens[1] der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg natürlich auch viele Schwule durch Seminare und Essenschlangen gewunden haben, ist allgemein anzunehmen. Schwierig wird es jedoch, wenn es darum geht, Spuren dieser Männer zu finden, die mit ihren Handlungen und Aktionen Nischen für schwule Studenten im Universitätsalltag schufen. Die Informationen zu diesem Thema habe ich zum großen Teil aus Beiträgen der Oldenburger Lesben- und Schwulenzeitschrift „Rosige Zeiten“ sowie einem Telefoninterview mit Ralf Übing entnommen. Bekannt als schwuler Treffpunkt war das freitägliche Nacktbaden im großen Universitätsschwimmbad. Das FKK-Angebot wurde jedoch im April 1990 aufgrund von Beschwerden von Frauen, die sexuell belästigt wurden (wohl von nicht so schwulen Geschlechtsgenossen), eingestellt. Der „schwule“ Tisch in der Mensa (in der tiefen Ebene, hinten rechts) war und ist seit Mitte der 80er Jahre inoffizieller Treffpunkt für Schwule an der Universität. Die Bibliothekstoilette soll Mitte der 80er Jahre bis Anfang der 90er Jahre als Möglichkeit der kurzen, anonymen „Kontaktaufnahme“ zwischen Männern gedient haben. Ein ehemaliges AStA-Mitglied (damals offiziell hetero und alternativ, heute schwul und nach eigenen Aussagen eher konservativ) hat zwischen 1980 und 1984 keine Kenntnis von offiziellen schwulen Gruppen im AStA gehabt. Erste konkrete Informationen gibt es erst seit ca. 1987, als Schwule sich in dem Raum VG 005 zum schwulen Café nach dem Mensa-Essen trafen. Am 13. Dezember 1988 wird durch Ekkehart Plate (damals Mitglied im Na Und sowie Mitbegründer der Oldenburger Lesben- und Schwulenzeitschrift „Rosige Zeiten“), der schon vorher das schwule Café geleitet hatte, eine erste Versammlung von schwulen Studenten einberufen, bei der sich die „INTERESSENGEMEINSCHAFT SCHWULES CAFE: HOMOSEXUELLE INITIIEREN ALTERNATIVEN SCHWULENTREFF“ gründete. Unter reger Beteiligung ging es in Diskussionen der Gruppe um die künftige Ausgestaltung des schwulen Alltags in der Universität. Neben den Ideen von Filmvorführungen und Feten wurde vor allem die weitere Planung des Schwulen Universitäts-Café (SUC) vorangetrieben. Man wechselte schließlich von dem alten, abseits liegenden Raum zum Teppichraum (neben dem Rauchertrakt bei der Cafeteria, beim früheren Essensmarkenverkauf). Dieser Abstellraum, der in den Plänen des Studentenwerks damals nicht eingezeichnet war, wurde kurzerhand von einigen Schwulen aufgeräumt und nach gründlicher Renovierung immer dienstags, ab 14 Uhr, meistens aber täglich zur Essenszeit, zum Treffpunkt für Schwule an der Universität. Es wurden Stellwände mit Hinweisen am Mensaeingang aufgestellt und so erstmals regelmäßig auf Schwule an der Universität hingewiesen. Alltag damals: Plakate des „SUC“ mit Hinweisen auf Veranstaltungen wurden regelmäßig abgerissen. Die erste Party des Schwulen Universitäts-Cafés, von Ralf Übing organisiert, fand am 20. April 1989 zum Semesterbeginn im Teppichraum statt. Mit einer kompletten Video-, Licht- und Beschallungsanlage ausgestattet, aber mit einer nur mäßigen Beteiligung, kam es durch neugierige Partygänger der benachbarten Sportler-Party richtig Stimmung auf. Die Veranstaltung wurde noch einmal, am 25.10.1989, zum Semesterbeginn, wiederholt. Neben Kaffee und Kuchen bei den gemeinsamen Treffen im „SUC“ fanden auch angeregte Diskussionen zum Selbstverständnis von Schwulen und Lesben statt. Entnehmen kann man die Reaktionen von Mitgliedern des „SUC“ auf einen Artikel in der Nr.2 der Lesben- und Schwulenzeitschrift „Rosige Zeiten“ (ROZ), in dem die Autorin über das Thema „Schwule sind auch Männer“ schrieb. Es wurden mehrmals Leserbriefe an die „ROZ“ geschrieben und gemeinsam diskutiert, in wieweit Frauen durch schwule Männer unterdrückt werden. Zu einem Konsens kam man nicht. Mit dem Selbstmord von Ekkehard im März 1990 löste sich auch das Schwule Universitäts-Café „SUC“ kurz später auf. Im November 1991 beschäftigte sich die Veranstaltungsreihe: „Anders als die Anderen – Homosexualität im Spielfilm“ mit schwuler Filmgeschichte und direkter oder indirekter Darstellung von Homosexualität im Film. Initiiert wurde diese mehrtägige Filmreihe durch einen Lehrenden des Fachbereiches Kunst der Universität Oldenburg. Nach den Semesterferien im Herbst 1992 erkundigte sich der Mathematikstudent Carsten Rodiek beim AStA, ob es schwule Gruppen an der Universität Oldenburg gäbe. Mit der schroffen Antwort „So etwas gibt’s bei uns nicht“ von der AStA-Sekretärin beginnt die Geschichte des Autonomen Schwulenreferates der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.“ 

Teil II

Carsten Rodiek ging, unterstützt von Andreas Memken, dem ehemaligen Lebensgefährten von Ekkehart Plate, zum AStA, stellte seine Idee vor und bekam vom AStA grünes Licht für die Gründung eines eigenen Referates. Das Schwulenreferat war geboren, allerdings noch ohne Raum und Finanztitel, ohne autonomen Status und aktive Mitarbeiter. Parallel zum Schwulenreferat gründete Carsten noch das „Café Schwul“ an der Oldenburgischen AIDS-Hilfe, wo er im Vorstand tätig war. Dort traf er dann andere Studenten wie z.B. Jens Breder. Dieser initiierte den ersten Aufruf zu einem Treffen im AStA, das am 29. Januar 1993 zu Stande kam. In der ersten Telefonnummernliste waren schon 12 Leute eingetragen. Man traf sich regelmäßig, plante die Zukunft und formulierte die Zielsetzung des Referates innerhalb weniger Wochen. Ein „Schwules Plenum“ entschied über alle Aktionen des Referates. Dabei waren (und sind bis heute) alle schwulen Studenten an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg stimmberechtig. Am Anfang teilte man sich die Räumlichkeiten zusammen mit dem Kulturreferat (M1 – 160). Die erste große Aktion war das „Ausmisten“ des gemeinsam genutzten Raumes. Neben neuer Farbe und einer gespendeten Schreibmaschine wurden eine Kaffeemaschine, Bistro-Stühle und –Tische gekauft, um ein Schwules Café aufzubauen. Im Kern bestand das Referat damals aus ungefähr acht aktiven Mitarbeitern mit einem Umfeld von ca. zwanzig gelegentlichen Besuchern/Helfern. Die ersten Anschaffungen und Kosten wurden von der damals ebenfalls neu gegründeten Männerfabrik, einer Disco nur für Männer, getragen. Es bestand ein guter Kontakt zwischen diesen beiden Gruppen und zusammen wurde unter anderem auch die Projektreihe „Gewalt gegen Männer“ gestartet. Nur ein halbes Jahr nach der Gründung gab es schon Lesungen, Podiumsdiskussionen, Selbstverteidigungskurse und Semesteranfangsinformationsveranstaltungen, aber auch eine Protestaktion: das 2. Oldenburger „Kiss In“. Nach hartem Ringen um einen festen Finanztitel und Raum 1994 (beides wurde erreicht), änderte sich die umstrukturierte Organisation des Referates dann aufgrund der rechtlichen Notwendigkeit. In einer ersten offiziellen Vollversammlung wurde Carsten Rodiek als Schwulenreferent gewählt. 1995 hielten lediglich Carsten Rodiek und Peter Jürgens (Finanzreferent) den Betrieb des Referates aufrecht. Sie organisierten neben Semesteranfangsfrühstücken auch Kultur- und Partyveranstaltungen. Es gab zwar Nutzer des Schwulen Cafés und der Veranstaltungen, jedoch kaum Leute die aktiv mitarbeiten wollten. Um diese Situation zu ändern, starteten die beiden Referenten einen Notaufruf, in dem sie ihren Rücktritt ankündigten und damit auch das Ende des Schwulenreferates, wenn nicht neue Leute ihre Arbeit übernehmen würden.

Teil III

Auf der Vollversammlung im Jahre 1996 kam es schließlich zu einem kompletten Wechsel der Referatsbelegschaft. Es wurden die neuen Referenten gewählt und es bildete sich ein enger Kreis von sechs Leuten, welche dem Referat eine neue Zielsetzung gaben. Neben einer Kulturveranstaltung und einer Gedenkveranstaltung für homosexuelle Opfer des Holocaust wurde eine komplette Renovierung und Umgestaltung des Raumes vorgenommen. Ein Schwerpunkt wurde das Schwule Café und Bibliothek, mit zahlreichen neuen Bücheranschaffungen, als Service-Angebot für schwule und bisexuelle Studenten sowie andere Interessierte. Man stellte fest, dass viele Netzwerke und Informationen über Raumangebote, Verteiler oder sonstige Abläufe stark personenabhängig waren und bei einem personellen Wechsel meist verlorengingen. Dies führte dazu, dass bei jedem Projekt Abläufe und Kontakte neu recherchiert werden mussten. Auf der Suche nach Möglichkeiten, Projekte einfacher zu initiieren und schwule Inhalte verstärkt in das Universitätsangebot und –leben einzubringen, entschied sich das Plenum, eine Bürostelle zu schaffen. Diese wurde ausgeschrieben und das Plenum entschied über die Stellenvergabe. Der erste Büroreferent schuf die Grundlage für die heutigen Arbeiten im Referat. Von der Archivierung über das Erstellen von Adressdateien und Anfragen für Raumreservierungen wurde nun alles von der Bürokraft geleitet. Der Schwulenreferent übernahm die Vertretung des Schwulenreferates gegenüber der Öffentlichkeit und anderen lesbischwulen Gruppen und Organisationen.

(Fortsetzung folgt)


[1] 3. Dezember 1973, Der Niedersächsische Landtag beschließt die Gründung der Universität Oldenburg bei gleichzeitiger Integration der Pädagogischen Hochschule. Der Gründung folgt im April 1974 die Aufnahme des Studienbetriebs mit acht Diplomstudiengängen und dem Modellversuch „Einphasige Lehrerausbildung“.